Im Spiegel des Lebens: Menschen und Fluss identifizieren sich als ein einziger „Leib“ im Widerstand
Vom 07.-09. Juni 2019 fand in Januária, an der linken Seite des Flusses São Francisco, auch liebevoll „der alte Chico“ genannt, das 5. Treffen zur Vernetzung der Völker statt, die am São Francisco-Becken leben. Während dieser Tage wurde deutlich, dass Menschen und Fluss sich als ein einziger „Leib“ im Widerstand identifizieren. Mehr als 109 Personen waren dort versammelt: indigene Völker und Nachkommen der früheren Sklaven aus Afrika, Mitglieder von traditionellen Gemeinden (Fischern und Leuten, die in den niedrigen Buschwäldern und sehr trockenen Gebieten ihr Zuhause haben), Vertreter von Sozialpastoral und Sozialbewegungen, Forscher und andere städtische Gruppen aus den vier Regionen des Beckens.
Diese vielen Menschen, deren Leben sehr von der Existenz des Flusses abhängt, sprachen miteinander über die Probleme des „alten Chico“. Sie stellten fest, dass seit der Gründung dieser „Vernetzung der Völker von São Francisco“ vor 14 Jahren die Herausforderungen ständig gewachsen sind. Gründe dafür sind: die Umweltverbrechen, deren Folge richtige Tragödien darstellen; die ultraliberalen politischen Entscheidungen, die die Prinzipien der Vorsicht und der Prävention, die Rechte der Menschen und der Schöpfung nicht berücksichtigen.
Die Probleme und die Herausforderungen, die den Fluss und seine Völker bedrängen, nehmen mit der Zeit ständig zu. Immer wieder sehen wir, wie grenzenlos sich die Agrarindustrie, der Bergbau, die Projekte zur Erzeugung von Sonnen- und Windenergie und die nukleare Bedrohung ausdehnen. Dazu noch vieles mehr: die Abholzung der Buschsteppe, die zu mehr Verschlammung und zum Rückgang des Wasserstandes führt; das Vorrücken des Meeres in die Flussmündung hinein versalzt Grund und Wasser; die Verseuchung durch verschiedene grenzenlose ökonomische Aktivitäten, besonders durch die Agrochemikalien und Mineralrückstände; die Verfälschung von Grundstück-Urkunden, sowie die Lähmung der Agrarreform und der Anerkennung der traditionellen Gebiete; der Rückschlag bei den öffentlichen Erziehungsdiensten (Schließung von ländlichen Schulen und Kürzung von Haushaltsmitteln) und Gesundheitsdiensten; die angekündigte Reform der Sozialversicherung, die den Armen auf dem Land und in der Stadt sehr viel Sorge bereitet.
Gemeinsam stellten wir fest, dass es ein Todesprojekt für das São Francisco Becken gibt. Dieses Projekt versucht, gegen alle Ethik das Leben des Flusses und seiner Völker der gewalttätigen ökonomischen Produktion anzupassen. Unser „alte Chico“ ist Dank der ständigen Widerstände seiner Völker noch nicht ganz zugrunde gegangen; diese Völker bekennen sich als Söhne und Töchter, die von diesem Fluss abhängig sind.
Das Verbrechen des Konzerns Vale in Brumadinho/MG und die ständige Bedrohung von Brüchen weiterer Staudämme im ganzen Bundesland Minas Gerais, die das Leben des Flusses und seiner Völker in Gefahr setzen, bezeugen die oben beschriebene Situation. Die durch den Konzern Vale verursachte kriminelle Verseuchung hat weitere Auswirkungen auf die Gemeinden von Paraopeba bis zum Staudamm Três Marias, wie zum Beispiel: Mangel an Trinkwasser, Abwertung und Rückgang des Fischfangs. Trotzdem übernehmen die Verantwortlichen und die Autoritäten keine realen und dauerhaften Lösungen.
Seit langer Zeit sind es die alltäglichen Kämpfe der Kleinen am Ufer des Flusses São Francisco, die etwas bewirken und somit verhindern, dass die ökonomische Politik den Fluss ganz in Besitz nimmt. Somit erkennen wir, wie wichtig es ist, lokal Widerstand zu leisten, um in einer Haltung von Sturheit und Beharrlichkeit Fluss, Erde, Wasser und das Volk am Leben zu lassen!
In einer Vielfalt an Identitäten und mit einer besonderen Weltanschauung der Völker, die am Fluss leben und sich als ein vom Leben des „alten Chico“ abhängiges Kollektiv erkennen, „gehen wir zuversichtlich weiter, denn der Glauben versagt meistens nicht“. Wir führen die „Vernetzung der Völker von São Francisco“ weiter im Bemühen darum, im alltäglichen Kampf für das Leben des Flusses und seiner Völker, die Hoffnung sprechen zu lassen.
Schwester Letícia Aparecida Rocha, IDP
GENERALAT DER SCHWESTERN VON DER GÖTTLICHEN VORSEHUNG
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